Darmgehirn

Unser Darm ist das einzige autonome Organ in unserem Körper. Würde man ein Stück Darm aus dem Körper entfernen und in eine Nährflüssigkeit legen, könnte man beobachten, wie es weiter über Tage Verdauungsbewegungen macht – ganz ohne Blutversorgung oder Befehle aus dem Gehirn.

 

Der Darm agiert völlig eigenständig: Er nimmt wahr, korrigiert, lernt und ist Sitz der Intuition. Das enterische Nervensystem (ENS) ermöglicht dem Darm als einziges Organ unabhängig vom zentralen Nervensystem (ZNS) zu arbeiten. Im Gehirn befinden sich um die 100 Milliarden Neuronen, die Anzahl im ENS schätzt man auf 100 bis 200 Millionen. Das ENS ist strukturell und funktionell dem Gehirn ähnlich. Die Zusammenarbeit zwischen Darm und Hirn ist überlebenswichtig, was sich zum Beispiel bei den Urinstinkten zeigt.

"Klassisches Beispiel ist die Wirkung der Stress-Substanzen wie Adrenalin. Die legen den Darm lahm. Also wenn ein Löwe eine Antilope jagt, dann braucht keiner von denen einen aktiven Darm.

Es bringt der Antilope nix, wenn sie der Löwin sagt: Warte mal kurz, ich muss mal kurz abkoten."

Prof. Michael Schemann

Wissenschaftler sind sich relativ einig, dass der Darm unser Leben, unsere Gefühle, Entscheidungen und unsere Gesundheit viel intensiver beeinflusst, als wir das im Moment wissen und vermuten. Wie eng Kopfhirn und Darmhirn miteinander verwandt und verbunden sind, zeigen Hinweise, dass neurologische Krankheiten im Darm ihren Ursprung haben könnten. Es gibt Untersuchungen, die gezeigt haben, dass  bei Stuhlentnahmen von manisch-depressiven Ratten und anschließender Stuhltransplantation in gesunden Ratten diese auch Verhaltensauffälligkeiten aufzeigen. Entsprechende Ansätze gibt es jetzt auch bei den Krankheiten Alzheimer, Autismus, Multiple Sklerose und chronische Darmentzündung.