"Wenn wir alles erforschen, werden wir die Wahrheit
manchmal da finden, wo wir sie am wenigsten erwarten."
Marcus Fabius Quintilianus
Unser Darm wird häufig unterschätzt, manchmal verkannt und oft missachtet. Schleimig, ekelig, übelriechend. Das sind in der Regel die Charakteristika in der westlichen Welt. Zugegeben, das Endprodukt ist keine Schönheit und daher wenig attraktiv, um darüber ausgiebig zu berichten. Aber dennoch, die Leistung und Aufgaben des Darmorgans sind enorm.
Nach langer Zeit als Tabuthema hat nun zum Glück auch die Wissenschaft den Darm für sich entdeckt. Er ist so etwas wie der neue Star der medizinischen Forschung: Wurde er lange Zeit nur als simpler Schlauch zur Beförderung von Nahrungsbrei betrachtet, spricht man heute von einer Art zweitem Gehirn.
Auch in der Bestsellerliste der Sachbücher erlebte der Darm große Aufmerksamkeit, nachdem die Medizinerin und Autorin Giulia Enders das Buch "Darm mit Charme" im Jahr 2014 zum ersten Mal veröffentlichte. Nach der beeindruckenden Resonanz der Leser scheint die deutsche Gesellschaft offener und interessierter für das Thema zu sein.
Bis zu hundert Billionen Bakterien beherbergt unser Darm - die meisten davon leben im Dickdarm. Das macht den Dickdarm zum am dichtesten besiedelten Ökosystem überhaupt!
Aber nicht nur über 500 verschiedene Bakterienarten gehören zum Ökosystem, auch Pilze und Viren sind ein wichtiger Bestandteil im Mikrobenparadies. Für die Gesundheit entscheidend ist jedoch die Vielzahl und Anzahl - das ökologische Gleichgewicht.
Mit bis zu acht Metern Länge ließe sich das Darmorgan zu einer Fläche von 300 qm ausbreiten! Ein Tennisplatz kommt auf etwa 260 qm! Somit entspricht die Darmfläche in etwa der Größe eines Tennisplatzes. Ermöglicht wird diese Oberflächenvergrößerung im Darm durch zahllose winzige Falten und Zotten in der Darmschleimhaut. Zum Vergleich: Die Hautoberfläche eines Menschen beträgt im Schnitt nicht einmal 2 qm und ist deshalb nur das zweitgrößte Organ.
Alle Darmbakterien zusammengenommen bringen bis zu zwei Kilo auf die Waage – sie machen also einen beachtlichen Teil des Körpergewichts aus. Das entspricht ungefähr 10 x 10^13 Bakterien.
Ein Durchschnittskörper mit etwa 70 kg Körpergewicht kommt dagegen nur auf 3 x 10^13 Körperzellen. Jedes Gramm Stuhl enthält sogar mehrere Milliarden Mikroben. Somit tummeln sich in jedem einzelnen Gramm Stuhl mehr Bakterien, als es Erdenbürger gibt!
Der menschliche Stuhl besteht zu 75 Prozent aus Wasser. Das restliche Volumen machen Darmbakterien, Faserstoffe (fälschlicherweise oft Ballaststoffe genannt), Körperzellen und Sekrete aus. Auch nicht verdaute Nahrungsrückstände können enthalten sein. Seine braune Färbung erhält unser Kot durch den Abbau des Blutfarbstoffs Hämoglobin zu Bilirubin. Bei Durchfall kann Flüssigkeitsmangel drohen, da der Darm der Nahrung zu wenig Flüssigkeit entzieht, um die Nahrung auszuscheiden.
Den Darm eines 75-jährigen Menschen haben bereits rund 30 Tonnen Nahrung passiert. Dies entspricht etwa 6.000 Melonen oder 5 männliche Elefanten. Dem Nahrungsbrei werden in einem Menschenleben rund 50.000 Liter Flüssigkeit entzogen. Das entspricht in etwa 250 Badewannen voll Wasser. Man kann dem Darm seine Arbeit erleichtern, indem man täglich genug stilles Wasser oder Kräutertee (ca. 1,5 – 2 Liter) trinkt. Die Flüssigkeiten sollten nicht eisgekühlt oder kalt sein.
Der Darm ist unser größtes und wichtigstes Immunorgan: dort nämlich sitzen 70 Prozent aller für die Krankheitsabwehr verantwortlichen Immunzellen. Diese halten die pathogenen Mikroorganismen in Schach, damit sich diese nicht übermäßig stark vermehren können. Die Immunzellen werden von den "guten" Darmbakterien über Eindringlinge informiert, damit diese aktiv werden können. In einem Menschenleben passieren den Darm über 100.000 Erreger und 300 kg Schadstoffe.
Zwischen Körpermitte und Psyche besteht eine enge Verbindung, denn unser Bauchgehirn ist über Nervenfasern in engem Kontakt mit der Denkzentrale im Kopf. Die Darmflora beeinflusst demnach, wie es uns psychisch geht und wie wir empfinden. Zudem ist das Darmgehirn (enterisches Nervensystem) mit eigenen Kompetenzen ausgestattet und kann selbstständig ohne Gehirn agieren: es nimmt wahr, es korrigiert und es lernt ohne Kopfgehirn.
Die Konsistenz, der Geruch und die Farbe von Kot können auf Störungen der Verdauung und sogar auf ernsthafte Krankheiten hindeuten. Eine mittelbraune Farbe mit einer länglichen "Wurstform" entspricht in der Regel dem Normalzustand. So können andere Farben wie grau, grün, rot, schwarz oder gelb Alarmsignale des Körpers sein. Ein fester Stuhl bedeutet Verstopfung, während ein sehr weicher oder wässriger Stuhl Durchfall anzeigt.
Nach ganzheitlicher Verarbeitung und Bewertung aller Sinneseindrücke und Gedanken meldet der Darm die Empfindungen dem Gehirn. Die Intuition sitzt nämlich im Darm. Daher haben wir manchmal "Flugzeuge im Bauch" oder ein unerklärliches "komisches Bauchgefühl". Die Intuition ist nach aktuellen Forschungen in komplexen Situationen, die viele Variablen enthalten, dem rationalen Entscheidungssystem überlegen.
Warum ist der Darm das wichtigste und größte Immunsystem im Körper?
Wer bin ich? Und wenn ja wie viele? Unser Darmgehirn entscheidet über Psyche mit.